Unabhängig und sachlich korrekt soll das neue Einzelhandelskonzept sein, das die Leitlinien für die künftige Entwicklung im Wallenhorster Gemeindegebiet vorgibt. Die Politik vertraute einer
entsprechenden Empfehlung der Verwaltungsspitze und sprach sich kurz vor Weihnachten im Gemeinderat mehrheitlich für ein von dem Fachbüro cima erstelltes Konzept aus. Inzwischen kommen Zweifel
auf, ob wesentliche Inhalte des Gutachtens einer kritischen Überprüfung standhalten und die cima wirklich ein unabhängiger Akteur ist.
Sicher ist: Die cima arbeitet seit Jahren eng mit der Hamburger Entwicklungsgesellschaft HBB zusammen, die in Wallenhorst mit ihrem Projekt „Neue Mitte“ gescheitert ist. Quer durch die Republik
waren die cima und die HBB in jüngster Zeit unter anderem in Burghausen, Hanau, Hilpoltstein, Ingelheim und Langenhagen gemeinsam als Partner im Boot. Die Zielsetzung war stets ähnlich: Die HBB
baut oder erweitert ein Einzelhandelszentrum und die cima erstellt ein Gutachten, das – wie aktuell in Wallenhorst – den Planungsrahmen für das Vorhaben vorgibt. Auch in Wallenhorst wäre es mit
dem cima-Gutachten aus Sicht der Planer möglich, das bisherige HBB-Projekt „Neue Mitte“ oder vergleichbare Vorhaben zumindest abgespeckt umzusetzen.
Interessant ist auch, dass die in den genannten Standorten gefundenen Einzelhandelsunternehmen zum Teil denen entsprechen, die von der HBB auch für Wallenhorst avisiert worden waren. Das 2012 im
rheinland-pfälzischen Ingelheim realisierte Einkaufszentrum trägt sogar den gleichen Namen wie das in Wallenhorst geplante Projekt. In dem Ingelheimer Fachmarktzentrum „Neue Mitte“ haben sich
unter anderem REWE, C&A und die Drogerie Müller angesiedelt – allesamt Einzelhändler, die auch für die Grüne Wiese im Wallenhorster Zentrum im Gespräch waren.
Mit einer kurzen Internet-Recherche kann zudem jeder feststellen, dass die cima mit Wallenhorst vergleichbare Gegebenheiten in anderen Orten mitunter völlig anders bewertet. Interessant ist hier
ein Blick auf ein Bauprojekt in der fränkischen Kommune Hilpoltstein, das die HBB – gestützt auf ein Gutachten der cima – vor Kurzem realisiert hat. Hier hatte die HBB als Projektentwickler das
Ziel, ein bestehendes Einzelhandelszentrum durch weitere Fachmärkte zu erweitern. Das Problem war, dass die nach Angaben der cima rund 500 Meter Luftlinie vom Rathaus der 13.000-Einwohner-Stadt
entfernte Fläche nicht im zentralen Versorgungsbereich lag. Das wiederum hätte die von der HBB gewünschte Ansiedlung von Anbietern mit einem zentrumsrelevanten Sortiment unmöglich gemacht.
Dank eines Gutachtens der in dieser Frage mit einer Stellungnahme beauftragten cima wurde das Problem zur Zufriedenheit der HBB gelöst: In ihrem 2017 veröffentlichten Untersuchungsbericht kommt
die cima zu dem Schluss, dass „der vorgesehene Standort als städtebaulich integriert anzusehen ist“. Die Begründung für diese Einschätzung liest sich in dem cima-Bericht wie folgt: „Als
städtebaulich integriert sind Standorte dann zu bewerten, wenn sie einen unmittelbaren Siedlungszusammenhang, wesentliche Wohngebiete der Haupt-Standortgemeinde im näheren Umfeld sowie eine
Anbindung an das Netz des ÖPNVs aufweisen und sie Teil eines planerischen Gesamtkonzeptes sind.“
In Wallenhorst spielen diese Kriterien in einem vergleichbaren Fall offenbar keine Rolle für die cima. Das ebenfalls rund 500 Meter Luftlinie vom Rathaus entfernte E Center am Lechtinger Kirchweg
stuft die cima als nicht-zentrumsrelevant ein, obwohl die Gegebenheiten vergleichbar mit denen in Hilpoltstein sind. Dabei ist zu bedenken, dass die HBB auf der E Center-Fläche keine Aktien im
Spiel hat und öffentlich betont hat, dass sie ihre Pläne für ein Einzelhandelszentrum – möglicherweise mit einem zusätzlichen Lebensmittelmarkt – auf der Grünen Wiese nach wir vor umsetzen
möchte. Entsprechende Pläne der HBB oder anderer Investoren würden durch eine zentrumsnahe Einstufung des E Centers deutlich erschwert werden.
„Angesichts der nun bekannten Tatsachen entsteht der Eindruck, dass es sich hier in Wallenhorst um ein bestelltes Gutachten handelt, das nur dazu dient, bestimmte Interessen durchzusetzen“,
betont die Fraktionsvorsitzende im Gemeinderat, Anna Schwegmann auf Nachfrage des Bürger-Echos. Sie kündigte an, dass sie in dieser Frage dringenden Aufklärungsbedarf durch Bürgermeister Otto
Steinkamp sieht. Unter anderem möchte sie wissen, ob die Verwaltung bei der Auftragsvergabe für das Einzelhandelsgutachten von der engen Zusammenarbeit der cima mit der HBB gewusst habe und
entsprechende Erkenntnisse an die Arbeitsgruppe weitergegeben hat. Zudem müsse die Verwaltung durch die cima aufklären lassen, warum sie in den vergleichbaren Fällen Hilpoltstein und Wallenhorst
„inhaltlich zu gegensätzlichen Ergebnissen kommt.“
Erste Erkenntnisse bringt hier ein Sprecher der IHK ein, die – anders als die Fraktionen von CDU und der Wählergemeinschaft – an den nicht öffentlichen Sitzungen der Arbeitsgruppe beteiligt war,
die eine Vorauswahl bei der Suche des Gutachterbüros geleistet hatte. Demnach habe sich die Gemeinde Wallenhorst zunächst einer von der IHK bereitgestellten Liste von etablierten Gutachterbüros
bedient und dann daraus drei Büros für die engere Wahl ausgewählt. Dass darunter auch die cima war, sei für die Arbeitskreisteilnehmer kein Problem gewesen. Seitens der Gemeinde sei allerdings
nicht darauf aufmerksam gemacht worden, dass die cima mit der HBB ausgerechnet mit einem Partner zusammenarbeitet, der in Wallenhorst gerade erst mit seinem „Neue Mitte“-Projekt gescheitert war.
Letztlich sei das Votum im Arbeitskreis mehrheitlich für die cima ausgefallen. Die Empfehlung für die Beauftragung des Büros war dann später vom Gemeinderat umgesetzt worden.
Mit dem Ergebnis des Gutachtens ist die IHK dessen ungeachtet in wesentlichen Teilen unzufrieden. Der Fachverband hatte im Vorfeld der Ratsentscheidung für das Gutachten mehrfach vor einer
Verabschiedung in dieser Fassung gewarnt. Inhaltlich sei das Ganze in einigen Teilen einfach nicht in Ordnung, betont der IHK-Sprecher. Der Handels- und Dienstleistungsverband Osnabrück Emsland
war bereits kurz vor der entscheidenden Ratssitzung noch einen Schritt weiter gegangen. In einer schriftlichen Stellungnahme vom 18. Dezember heißt es zwei Tage vor der Ratsabstimmung wie folgt:
„Mit der IHK Osnabrück - Emsland - Grafschaft Bentheim sind wir der Ansicht, dass beachtliche rechtliche Aspekte nicht ausreichend gewürdigt worden sind und damit das Einzelhandelskonzept
Wallenhorst in seiner Fortschreibung für rechtlich angreifbar bzw. unbeachtlich angesehen werden könnte. Dies kann nicht Zielrichtung eines Einzelhandelskonzepts sein.“
Aus der Politik hat sich gegenüber dem Bürger-Echo neben der CDU-Fraktionschefin Anna Schwegmann inzwischen auch der Fraktionsvorsitzende der Wählergemeinschaft, Ludger Meyer, zur Zusammenarbeit
der cima und der HBB geäußert. „Ich sehe das Ganze völlig entspannt, weil nicht das Gutachten sondern der mehrheitliche Wille des Gemeinderats entscheiden wird, was auf der Grünen Wiese entstehen
wird.“ Für seine Fraktion legt sich Ludger Meyer dazu in zwei entscheidenden Punkten fest: „Mit uns wird es keinen weiteren großen Lebensmittelmarkt im Wallenhorster Zentrum geben. Wir setzen
dort vorwiegend auf Wohnbebauung.“
Zudem ist für ihn klar, dass die HBB in Wallenhorst nicht mehr zum Zuge kommen dürfe. „Wer uns vor Gericht verklagt, kann nicht unser Partner sein.“ Tatsächlich ist die Gemeinde Wallenhorst von
der HBB verklagt worden, weil sie die Zustimmung des Bauvorhabens „Neue Mitte“ auf der grünen Wiese nach der Ablehnung des Projekts durch eine Bürgerbefragung versagt hatte. Die
Gerichtsverhandlung dazu soll nach Informationen des Bürger-Echos in diesem Monat beginnen. (H.)