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Sinnvolle Investition oder teuer und gefährlich?

Kreisverkehr in Lechtingen wird umgebaut:

Gemeinde will mehr Sicherheit für Radfahrer erreichen –

Bürger reagieren verärgert –

Das kann nur ein schlechter Witz sein“

Wer derzeit auf der alten B68 im Lechtinger Ortskern unterwegs ist, muss über Geduld und mitunter auch Ortskenntnis verfügen, um die dort ansässigen Geschäfte und Anwohner zu erreichen. Seit knapp zwei Wochen wird der dort gelegene Kreisverkehr mit schweren Baumaschinen umgebaut. Der örtliche Verkehr wird zum Teil über nahegelegene Straßen umgeleitet. Da die B68-Ausfahrt Lechtingen während der Umbauarbeiten gesperrt ist, müssen aus dem Nordkreis kommende Kunden fürs Shopping in Lechtingen einen über Osnabrück-Haste führenden Umweg von gut 10 Kilometer in Kauf nehmen.
„Das macht doch keiner. Die Leute bleiben jetzt einfach weg“, berichtet die Inhaberin des Lechtinger Kinderland-Shops, Andrea Oehler. In ihrem Geschäft sei der Umsatz inzwischen um 75 Prozent eingebrochen. Eine Umfrage unter ihren Nachbarn habe ergeben, dass auch dort ein großer Teil der Kundschaft verloren gegangen ist. Unter vier Augen beklagten mehrere Geschäftsleute auch gegenüber dem Bürger-Echo ähnlich schlechte Erfahrungen. Es sei gut, dass sich Andrea Oehler zu Wort gemeldet habe. Selbst wollten sie aber nicht mit ihrer Kritik in die Öffentlichkeit gehen.
Für jeden erkennbar ist, dass für die zuvor über den Kreisel erreichbaren Supermärkte eine breite Schneise durch die Grünfläche geschlagen wurde. Die dort stehenden Bäume und Büsche wurden im Auftrag der Gemeindeverwaltung entfernt und auf rund 200 Quadratmetern durch eine Asphaltdecke ersetzt, über die nun der Zufahrtsverkehr rollt. „So viel zum Thema Klimaschutz“, betont ein vorbeikommender Radler, der ähnlich wie ein Großteil der von der Baumaßnahme betroffenen Geschäftsleute ungenannt bleiben möchte. Ein Blick auf den Baustellenbereich zeigt an diesem Wochentags-Nachmittag, dass auf den Straßen rund um die Kreisel-Baustelle eine Menge los ist. Es riecht nach Abgasen und Gummiabrieb der anfahrenden und abbremsenden Fahrzeuge. Vor der eigens eingerichteten Baustellenampel stehen die Autos dicht an dicht im Stau. Viel Platz ist dagegen auf den Parkplätzen vor den umliegenden Geschäften. „Hier kommt man ja kaum noch hin. Das ist schon fast geschäftsschädigend“, ärgert sich Andrea Oehler. Besonders sauer ist sie über den Umgang der Gemeindeverwaltung mit den Geschäftsleuten: „Die ziehen das Ganze einfach ohne Rücksicht auf Verluste durch und scheinen sich überhaupt nicht für uns zu interessieren.“ Weder der Bürgermeister noch ein anderer Vertreter der Gemeindeverwaltung sei bislang für ein Gespräch mit den betroffenen Anliegern vor Ort gewesen.
Die Gemeindeverwaltung bestätigt auf Nachfrage des Bürger-Echos, dass insgesamt acht Wochen für die Bauarbeiten zur Umgestaltung des Kreisels eingeplant sind. Das mit rund 150.000 Euro kalkulierte Kostenvolumen werde sich nach dem aktuellen Stand um voraussichtlich 40.000 bis 50.000 Euro erhöhen, weil im Zuge der Bauarbeiten auch der in diesem Bereich verlaufende Regenwasserkanal erneuert werden soll. Ansonsten laufe auf der Baustelle bislang alles nach Plan. Die Verwaltung sei fest davon überzeugt, dass die Neugestaltung des Kreisels „absolut richtig und notwendig ist.“ Auch Skeptiker würden nach einiger Zeit der Eingewöhnung sicher lernen, dass „dies eine sinnvolle Investition ist, die letztlich allen zu Gute kommt“.
Sobald die Neugestaltung abgeschlossen ist, müssen Radfahrer den Kreisel auf der gleichen Fahrbahn wie Pkw, Motorräder und Lkw durchfahren. „Wir wollen es also für den Radfahrer nur sicherer machen, sich auf der Straße zu bewegen“, schreibt die Gemeindeverwaltung auf Nachfrage des Bürger-Echos. Die Breite der Fahrbahn soll von rund sieben auf etwa 3,50 Meter halbiert werden. Der bislang befahrbare innere Teil des Kreisels wird aufgepflastert und darf künftig nur noch als eine Art Ausweichstreifen von Lkw und Bussen genutzt werden, die ansonsten nicht um die Kurve kommen würden. Der bislang rund um den Kreisverkehr führende Radweg ist in Zukunft den Fußgängern vorbehalten. Eine Nutzung mit dem Fahrrad ist dort verboten. Eine Ausnahme gibt es nur für kleinere Kinder: Die dürfen bis zum zehnten Lebensjahr auf dem Fußweg fahren.
Die an diesem Nachmittag vom Bürger-Echo befragten Bürgerinnen und Bürger zeigten wenig Verständnis für die Neuregelung. Nicht ein einziger unter den fast 50 Befragten äußerte sich zustimmend zum Kreiselumbau. Die Reaktion war während der gut 90 Minuten dauernden Gespräche überall ähnlich – extrem ablehnend. Die Stellungnahmen zu den Verantwortlichen in der Verwaltung und in der Politik fielen zum Teil derart drastisch aus, dass von einem Abdruck abgesehen wird. Die folgenden Aussagen sind ein kleiner Ausschnitt der eher gemäßigten Aussagen:
„Unnötig und viel zu teuer“, ist die kurze und knappe Einschätzung von Bernhard Schumacher. Der Wallenhorster Senior glaubt zwar, dass die Gemeinde hier etwas Gutes für die Menschen erreichen möchte, bei der Umsetzung aber „leider falsch liegt“. In das Gespräch klinken sich spontan zwei junge Männer ein, die sich schon zuvor über das Projekt unterhalten hatten. „Das Ganze ist gefährlicher Unsinn“, betonen Lorenz Grave und P. Skuric. Sie berichten, dass der Kreiselumbau hier überall das Gesprächsthema Nummer 1 ist: „Wir kennen niemanden, der das gut findet.“
Für Hans-Gerhard Benning kann der „teure und unsinnige Umbau“ eigentlich nur ein schlechter Witz sein: „Macht man das, damit die Radfahrer künftig noch besser von den Autofahrern umgefahren werden können?“ Für ihn ist absehbar, dass der Lechtinger Kreisel künftig ein Unfallschwerpunkt sein wird: „Dass das so nicht gut gehen kann, müsste man mit ein wenig gesundem Menschenverstand eigentlich schnell erkennen.“
Die Lechtingerin Denise Steinbrück ist an diesem Nachmittag gerade mit ihren Kindern Sophie und Lino zu Fuß unterwegs. In Höhe der Baustelle wird eines der Kinder fast von einem mit hohem Tempo auf dem Fußweg anrollenden Radfahrer erfasst. „Hier musst du richtig aufpassen“, erklärt die junge Mutter ihren Kindern nach dem Beinahe-Unfall. „Ich weiß nicht, was das soll“, betont sie auf die Frage nach ihrer Meinung zum Kreisel-Umbau. Sicher ist sich Denise Steinbrück aber in einem Punkt: „Meine Kinder dürfen dort nicht mit ihrem Fahrrad fahren. Gemeinsam mit schnellen Autos und Lastwagen – das ist viel zu gefährlich.“ 
Tanja und Moses Cura wohnen ganz in der Nähe des Kreisels. Bislang waren sie dort gern und regelmäßig mit dem Fahrrad und dem Auto unterwegs. Schwere Unfälle habe es hier nie gegeben. Mit der Verkehrsführung seien alle einverstanden gewesen. Nach der Umgestaltung des Kreisels werde sich das ändern: „Die Akzeptanz dafür ist einfach nicht da. Wir werden ganz bestimmt nicht zwischen PS-starken Autos und 40-Tonnern mit dem Fahrrad durch den Kreisel fahren.“ Die beiden Anwohner befürchten, dass es in Zukunft häufiger Unfälle vor ihrer Haustür geben wird. Ihre Einschätzung ist, dass es früher oder später zu einem Rückbau kommen wird: „Der Kreisel hat vor der Neugestaltung bestens funktioniert. Am besten wäre es, diesen Unsinn sofort zu stoppen.“
Zustimmung bekommt das Ehepaar von Theresia Bockgrave, die ebenfalls nur unweit entfernt auf der Wesselsstraße wohnt. „Was sich hier derzeit abspielt, ist der Wahnsinn. Das kann sich nur jemand ausgedacht haben, der nicht in der Gemeinde wohnt.“ Die zu dem Gespräch hinzugekommenen Bärbel und Herbert Hörnschemeyer können sich vorstellen, dass der Kreiselumbau schon bald auch ein Thema über Wallenhorst hinaus sein könnte: „Der Bürgermeister scheint eine Menge Geld in der Tasche zu haben.“ Da der Kreiselumbau aber letztlich von den Bürgerinnen und Bürgern bezahlt wird, könnte das Ganze schon bald ein Fall für den Bund der Steuerzahler sein. (H.)