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„Damit konnte niemand rechnen“

Gemeinde reagiert mit Millionen-Streichliste auf Einnahmeeinbruch –

„Verschoben ist nicht aufgehoben“ –

Sanierung „Am Haupthügel“ soll von 2021 auf 2023 verschoben werden

Berichte über die aktuelle Finanzsituation der Gemeinde waren in den letzten Jahren mitunter ein Anlass zum entspannten Zurücklehnen und Genießen. In Zeiten von Corona ist es damit auch in Wallenhorst vorbei. Bürgermeister Otto Steinkamp und Kämmerer Florian Lüttgemöller stellten Mitte Juni in der jüngsten öffentlichen Sitzung des Ausschusses für Wirtschaft und Finanzen alarmierende Zahlen vor. Nach aktuellem Stand wird die Gemeinde im Ergebnishaushalt 2020 um rund 4,6 Millionen schlechter dastehen als im Vorjahr 2019. Statt wie zuletzt gewohnt mit einem Plus muss die Gemeinde hier 2020 mit einem fetten Millionen-Minus rechnen. Der Ergebnishaushalt wird dessen ungeachtet ausgeglichen gestaltet werden können, da die Gemeinde das dafür erforderliche Geld aus der üppig gefüllten Rücklage entnehmen kann. 

Mit hohen Einbrüchen muss die Gemeinde – wie wohl alle anderen Kommunen – beim Einkommens- und Umsatzsteueranteil rechnen, die von Bund und Land nach Wallenhorst überwiesen werden. Dazu kommt ein in manchen Branchen kompletter Ausfall bei der Gewerbesteuer. Wie schwer die Gemeinde von den genannten Einnahmeausfällen gebeutelt wird, werden erst die nächsten Wochen und Monate zeigen. Dann wird sich zeigen, wie viel Geld aus den jüngst vom Bund und Land aufgelegten Fördertöpfen zu Gunsten der Kommunen in Wallenhorst ankommen wird. Der Niedersächsische Städte- und Gemeindebund zeigt sich hier in einer aktuellen Stellungnahme optimistisch. Demnach können die Kommunen damit rechnen, dass ein Großteil der finanziellen Belastungen mit den gerade auf den Weg gebrachten Corona-Investitionsprogrammen ausgeglichen werden können.  

Gemeindekämmerer Florian Lüttgemöller macht sich dessen ungeachtet „große Sorgen“ über die negative Entwicklung des Finanzhaushalts. Trotz massiver Einsparungen für 2020 und die Folgejahre müsse die Gemeinde hier mit einem aktuellen Minus von fast 2,8 Millionen Euro rechnen, für die ein kurzfristiger Kredit aufgenommen werden muss. Auch für die nächsten Jahre sei die Perspektive nach aktuellem Stand keineswegs rosig. Sicher ist, dass der Schuldenstand der Gemeinde auf eine Rekordhöhe von deutlich über 30 Millionen Euro ansteigen wird. Ob und wann die Schulden abgebaut werden sollen, war in dem aktuellen Finanzausschuss kein Thema.

Dafür präsentierte der Bürgermeister eine von der Verwaltung erstellte Einsparliste, die Verschiebungen oder Streichungen verschiedener Investitionsprojekte enthält. Größter Posten sind die Baumaßnahmen für die Sanierung des Straßenzugs am Haupthügel in Rulle, die im Haushaltsjahr 2021 mit gut zwei Millionen Euro veranschlagt worden waren und nun um voraussichtlich zwei Jahre auf 2023 verschoben werden soll. Somit müssen die Anwohner in diesem Bereich erst einmal auf die Erneuerung der Straße und der Straßenbeleuchtung sowie auf den Ausbau der Niederschlags- und Schmutzwasserkanalisation warten.

Schon im laufenden Jahr 2020 wird die Gemeinde nach den Plänen der Verwaltung zudem auf ihren Eigenkapitalanteil von 350.000,- Euro für den Bau des Glasfasernetzes der Gemeindewerke Wallenhorst verzichten. Auch für die Sanierung der naturwissenschaftlichen Fachräume im Schulzentrum und den Bau sowie die Einrichtung von Spielplätzen sollen 2021 Ausgaben in jeweils sechsstelliger Höhe eingespart werden. Erst einmal gestrichen werden sollen die 420.000,- Euro, die 2022 eigentlich für die Anschaffung eines Feuerwehrfahrzeugs ausgegeben werden sollten. Dazu kommen zahlreiche weitere Sparvorschläge mit einem kleineren Finanzvolumen – von der Neuausstattung des Lehrerzimmers der Alexanderschule bis zu neuen Zäunen für die Tennisanlagen in Lechtingen und Wallenhorst.   

„All das sind noch Schätzzahlen, die sich noch positiv oder negativ verändern können“, betonte Otto Steinkamp in einer ersten Stellungnahme. Die Verwaltung werde die tatsächliche Finanzentwicklung genau im Blick behalten und das jetzt vorgelegte Zahlenwerk wenn nötig zeitnah anpassen. „Noch vor wenigen Monaten hat nichts auf eine derart schwere Krise hingedeutet. Damit hat niemand gerechnet“, warb der Bürgermeister für die auch aus seiner Sicht „zum Teil sehr schmerzhaften Einsparungen“. Angesichts der angespannten wirtschaftlichen Lage bleibe der Gemeinde aber keine andere Wahl. Zudem sei ein Großteil der jetzt gestrichenen Investitionen „nur aufgeschoben und nicht aufgehoben“.

Was der Gemeinderat zu der Streichliste der Verwaltung sagt, wird sich erst in den nächsten Sitzungen zeigen. „Wir werden die zum Teil sehr erstaunlichen Vorschläge genau prüfen und in den Fraktionen intensiv darüber diskutieren“, kündigte der Ausschussvorsitzende Dr. Dennis Schratz (CDU) an. Das Bürger-Echo ist gespannt auf die nächste öffentliche Sitzung des Gemeinderats, die am 9. Juli um 17.30 Uhr im Wallenhorster Rathaus stattfinden soll. (H.)


KOMMENTAR

...von Redakteur Klaus Hilkmann

Sparsam?

Der Bund und das Land erwarten eine Investitionsoffensive. Kommunen wie die Gemeinde Wallenhorst machen derzeit genau das Gegenteil: Die aktuelle Streichliste der Gemeindeverwaltung ist alles andere als eine gute Nachricht für die heimische Wirtschaft und die vielen Menschen, deren Wohlstand auch vom Verlauf der Konjunktur abhängt. Statt neue Investitionen anzustoßen, verzichtet die Gemeinde Wallenhorst auf millionenschwere Vorhaben, die von vielen heimischen Betrieben für 2020 und die Folgejahre schon fest auf der Habenseite gebucht worden sind.    

Die geplanten Einsparungen treffen von der Bildung bis zur Sicherheit und dem Zustand der Infrastruktur vor der eigenen Haustür nahezu alle Lebensbereiche. Der Verzicht sorgt für Qualitätseinbußen in wichtigen Bereichen wie der Feuerwehr und den Schulen. Die Anwohner des Haupthügels in Rulle werden nun noch weitere Jahre mit einer rumpeligen Straße, unebenen Gehwegen und Überflutungen der Keller bei Unwettern leben müssen.

Natürlich ist auch eine wirtschaftsstarke Gemeinde wie Wallenhorst nicht gegen die dramatischen Corona-Folgen gefeit und muss in schweren Zeiten den Gürtel enger schnallen. Dessen ungeachtet muss die Frage erlaubt sein, ob zumindest ein Teil der jetzt empfohlenen Einsparungen verzichtbar wäre, wenn die Gemeinde in den jüngsten Jahren sparsamer gewirtschaftet hätte. Ohne die aktuelle Rekordverschuldung von über 30 Millionen Euro hätte der Gemeindekämmerer sicher deutlich weniger Finanzsorgen und mehr Spielraum für die Haushaltsjahre während und nach Corona.

Besonders ärgerlich ist angesichts der auch für den Bürgermeister schmerzhaften Streichliste, dass weiterhin ungeklärt ist, warum aktuelle Baumaßnahmen in Wallenhorst immer wieder sehr viel teurer werden wie vorgesehen. Jetzt rächt sich, dass etwa für die neue Kinderkrippe mit Mehrkosten von deutlich über drei Millionen Euro gerechnet werden muss, womit diese mindestens doppelt so teuer wird wie geplant. Und auch die jedes Jahr aufs Neue steigenden Millionen-Ausgaben für das Gewerbegebiet am Schwarzen See gehören spätestens jetzt auf den Prüfstand – und zwar öffentlich mit transparenten für jeden Bürger einsehbaren und nachvollziehbaren Zahlen. (H.)  


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