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Tempo 30 vor der Schule muss warten

Bürgermeister sieht keine Notwendigkeit für Dringlichkeitsbeschluss –

SPD/FDP, CDW/W und Grüne lehnen CDU-Antrag zur Unterstützung der Elterninitiative ab

Dass sich viele um die Sicherheit ihrer Kinder besorgte Eltern die Einrichtung einer Tempo 30-Zone vor der Hollager Erich-Kästner-Schule wünschen, war schon in den letzten beiden Ausgaben des Bürger-Echos nachzulesen. Kurz vor der jüngsten Sitzung des Gemeinderats hatte sich die Initiativen-Sprecherin Susanne van Alste in einem Interview noch zuversichtlich gezeigt, dass der von vielen Anwohnern unterstützte Wunsch für eine zeitnah umgesetzte Geschwindigkeitsreduzierung eine Mehrheit im Gemeinderat findet. 

In der Ratssitzung wurde dann schnell klar, dass dem nicht so ist. Ein von der CDU-Fraktion gleich zu Sitzungsbeginn eingebrachter Dringlichkeitsantrag für die Aufnahme des Themas in die aktuelle Tagesordnung wurde von der Ratsmehrheit aus SPD/FDP, CDW/W und Grünen ohne eine inhaltliche Begründung abgelehnt. Kurz zuvor hatte Bürgermeister Otto Steinkamp in einer wortreichen Erklärung berichtet, was die Gemeindeverwaltung in den letzten Jahren für die Verkehrssicherheit in diesem Bereich getan habe. 

Innerhalb von nur 300–400 Metern gibt es drei Fußgängerampeln. Im August 2019 durchgeführte Tempo-Messungen hätten zudem ergeben, dass die Autofahrer vor der Grundschule mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von etwa 37 Stundenkilometern – und damit keineswegs zu schnell – unterwegs sind. „Die Sicherheit der Schulkinder ist mir sehr wichtig“, erklärte der Bürgermeister. Zur Wahrheit gehöre aber auch, dass die vor der Schule angesiedelte Landesstraße von den Fachleuten der Verkehrskommission nicht als besonders gefährlich eingestuft werde. 

Das geltende Recht lasse es zwar zu, dass die Gemeinde das von den Bürgern gewünschte Tempolimit vor der Schule einrichtet. Dann würde es aber vermutlich Widerspruch der für Landesstraßen zuständigen Behörde für Straßenbau geben, betonte Bürgermeister Otto Steinkamp. Im Ergebnis könnte es dann dazu kommen, dass ein vor der Erich-Kästner-Schule eingerichtetes Tempolimit auf Weisung übergeordneter Behörden wieder aufgehoben werden müsste. 

Der Bürgermeister kündigte an, er werde den Tempo 30-Wunsch der Bürger bei dem für Anfang November angesetzten nächsten Treffen der Verkehrskommission vortragen. Das Ganze sei aber ein „Abwägungsprozess“. Ob die Fachleute in naher Zukunft grünes Licht für das Tempolimit geben werden, könne er aktuell nicht sagen. Grundsätzlich stellte Otto Steinkamp unmissverständlich klar, dass in dieser Frage „der Bürgermeister und nicht der Gemeinderat zuständig ist“. Ein Dringlichkeitsbeschluss des Rats pro Tempo 30 sei daher nicht zielführend. Dem Gemeinderat stehe natürlich frei, das Thema auf die Tagesordnung zu nehmen. Eine Notwendigkeit dafür sah der Bürgermeister aber nicht.

Die anwesenden Ratsmitglieder von SPD/FDP, CDW/W und Grünen folgten den Worten des Bürgermeisters und lehnten den Dringlichkeitsantrag ohne weitere inhaltliche Diskussion ab. Eine für die Aufnahme auf die Tagesordnung nötige Zweidrittelmehrheit des Rats kam somit nicht zustande. Die CDU-Fraktionschefin Anna Schwegmann reagierte fassungslos. „Wir können heute gemeinsam zeigen, dass es uns ernst mit der Sicherheit der Schulkinder ist. Ich verstehe nicht, dass Sie dazu nicht bereit sind“. 

Mit der Zustimmung zu dem Antrag hätte der Gemeinderat den Bürgermeister beauftragt, gegenüber den Fachleuten aus der Verkehrskommission klar und deutlich auf Tempo 30 vor der Schule zu drängen. Da die nächsten Gespräche dazu schon bald – und deutlich vor der nächsten Sitzung des Fachausschusses – stattfinden, sei „genau jetzt“ die richtige Zeit für einen entsprechenden Ratsbeschluss. 

Dass es anders gekommen ist, kann sich die CDU-Fraktionsvorsitzende im Nachhinein nur damit erklären, dass „es den anderen Ratsfraktionen nicht gefallen hat, dass wir den Antrag eingebracht haben“. Sachliche Gründe könne sie nicht erkennen, da sich auch andere politische Gruppierungen positiv zu dem Tempo 30-Ziel der Initiative geäußert hatten.

Vor allem die CDW/W hatte kurz vor der Ratssitzung im Bürger-Echo darauf hingewiesen, dass sie sich schon seit Jahren für mehr Sicherheit auf der Hollager Straße einsetze. Warum die Fraktion nun im Rat gegen die Forcierung einer zeitnahen Tempo 30-Lösung gestimmt hat, erklärte sie in der Sitzung nicht. (H.)   


Kein Foto von der Abstimmung: 

Gründe und Begründungen

Eigentlich hätte das Bürger-Echo gern auch mit einem Foto dokumentiert, wie der Gemeinderat über den Dringlichkeitsantrag der CDU-Fraktion pro Tempo 30 vor der Erich-Kästner-Schule abgestimmt hat. Da eine entsprechende Aufnahme nach einer Intervention des Ratsvorsitzenden Hans Stegemann (SPD) nicht zustande kam, wird an dieser Stelle ein geschwärztes Bild gezeigt. Somit können wir nur per Wort darüber berichten, dass der CDU-Antrag von Bürgermeister Otto Steinkamp und den anderen Fraktionen SPD/FDP, CDW/W und Grüne ohne inhaltliche Diskussion abgelehnt wurde.

Passiert ist gleich zu Beginn der Ratssitzung folgendes: Der als Hausherr fungierende Ratsvorsitzende Hans Stegemann hatte dem Redakteur des Bürger-Echos unmittelbar vor der Abstimmung über den Antrag vom Podium aus mitgeteilt, dass er es „nicht gut findet, wenn jetzt ein Foto gemacht wird“. Auf Nachfrage des Berichterstatters, ob er ein Foto machen darf oder nicht, stellte der Ratsvorsitzende klar: „Nein, ich möchte das nicht“. 

 

Der dazu vom Bürger-Echo befragte „Deutsche Journalisten Verband“ bewertet den Vorgang als „einen Eingriff in die Pressefreiheit“. Die Justiziarin Ursula Meschede begründet die Stellungnahme wie folgt:

„nach § 64 Abs. 2 NKomVG sind

Bildaufnahmen zulässig, solange sie die

Ordnung der Sitzung nicht gefährden.

Von einer Bildaufnahme über die Abstimmung geht indes keine Gefährdungslage aus.

Vielmehr soll durch die öffentliche Sitzung

die Transparenz der getroffenen Entscheidung sichergestellt werden.

Die Presse ist im Rahmen ihrer Wächterfunktion daher berechtigt, das Abstimmungsverhalten

zu fotografieren.

Der schlichte Unwille fotografiert zu werden, rechtfertigt auch kein Verbot der Bildaufnahme“.

 

Mit der Frage, ob seine Aussagen „richtig verstanden worden sind“, meldete sich der Ratsvorsitzende einen Tag nach der Sitzung beim Berichterstatter. Er betonte nun, dass seine Einlassung keineswegs als Verbot einer Fotoaufnahme gedacht gewesen sei. Vielmehr habe er die Ratsmitglieder davor schützen wollen, dass sie bei der Abstimmung unvorteilhaft von hinten dargestellt werden. Er habe damit eine entsprechende Empfehlung der niedersächsischen Datenschutzbeauftragten um-setzen wollen und sehe sich damit „völlig im Recht“.

An den auf Nachfrage des Bürger-Echos in der Sitzung formulierten Satz, „Nein, das möchte ich nicht“, könne er sich nicht erinnern, betonte Hans Stegemann. Diesen könne er schon deshalb nicht gesagt haben, weil er die Frage „nicht richtig verstanden“ habe. Genau das wird von mehreren bei der Sitzung anwesenden Ratsmitgliedern anders geschildert. Sie bestätigen, dass sich der Ratsvorsitzende exakt so wie vom Bürger-Echo geschildert geäußert habe.

Dass der Redakteur der Neuen Osnabrücker Zeitung die Ratsmitglieder bei einer anderen Abstimmung von hinten fotografiert hat, war für Hans Stegemann im Verlauf der Sitzung übrigens kein Anlass zum Eingreifen. Ein entsprechendes Fotomotiv von der Sitzung ist in der Internetausgabe der Tageszeitung erschienen.                                             Klaus Hilkmann

Kommentar

... von Redakteur Klaus Hilkmann

Was ist dringlich?

Eigentlich hätte alles ganz einfach sein können: Mit einer gemeinsamen Erklärung für die Tempo 30-Zone hätte der Gemeinderat innerhalb weniger Minuten klar zeigen können, dass ihm die Bürger der Gemeinde wichtiger sind als die Interessen einer Straßenbaubehörde, der es vor allem auf eine schnelle Stauumleitung für die Autobahn ankommt. 

Mit einem „Ja“ zu dem Dringlichkeitsantrag wären dem Bürgermeister klare Vorgaben für die bald anstehenden Gespräche mit der Verkehrskom-mission gegeben worden. Für die beteiligten Fachleute wäre das ein starkes Signal gewesen, dass es Wallenhorst ernst mit der Forderung nach mehr Sicherheit für Schulkinder und andere schwächere Verkehrsteilnehmer meint. 

Dass der Bürgermeister und die Gemeinderats-mehrheit aus SPD/FDP, CDW/W und Grüne diese Chance vertan haben, sagt viel über Bürgernähe und die Bereitschaft zur sachlichen überparteilichen Zusammenarbeit aus. Nun wird das Thema von der großen „Wallenhorster Koalition“ nach hinten geschoben. Der Bürgermeister ist nun bei seinem nächsten Treffen mit der Verkehrskommission wie bisher ohne vorgegebene Leitplanken unterwegs. In der Vergangenheit war das Ergebnis immer das gleiche: Das Gremium hat sich immer gegen ein Tempolimit vor der Erich-Kästner-Schule ausge-sprochen.  

Wie wichtig ein Bekenntnis des Rates für Tempo 30 gewesen wäre, haben auch die aktuellen Aussagen des Bürgermeisters deutlich gezeigt. Statt sich klar auf die Seite der Bürgerinitiative aus seiner Gemeinde zu stellen, spricht Otto Steinkamp von einem Abwägungsprozess, bei dem er auch die Interessen der anderen Beteiligten berücksichtigen muss. Dass er dabei ganz vorn die Landesbehörde für Straßenbau nennt, ist bemerkenswert. Ein „Ja“ zu Tempo 30 ist von dieser Seite auch in Zukunft kaum zu erwarten. 

Für die Gemeinde wäre das kein Hinderungsgrund, ein Tempolimit umzusetzen – wenn sie es denn wollte. Die Wallenhorster Bürger sollten dabei eigentlich darauf vertrauen können, dass der Gemeinderat und der Bürgermeister ihre Interessen wichtiger nimmt, als die einer übergeordneten Behörde. Gerade wenn es um die Sicherheit von Kindern und anderen schwächeren Verkehrs-teilnehmern geht, sollten der Gemeinderat und der Bürgermeister klar und deutlich auf der Seite der Bürger ihrer Gemeinde stehen. (H.)    



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