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Hassmails und Drohungen: Polizei leitet mehr als 40 Verfahren ein

Wallenhorster Arzt verweigert Behandlung von Impfgegnerin:

Bundesweite Anfeindungen –

Standesorganisation ist erschrocken –

Beleidigungen und Bedrohungen sind strafbar

Was passieren kann, wenn man als verantwortungsvoller Bürger mutig und konsequent Flagge für Corona-Schutzimpfungen zeigt, muss derzeit der Wallenhorster Internist Dr. Florian Balkau erleben. Nachdem die hiesige Tageszeitung darüber berichtet hatte, dass er eine Corona-Impfgegnerin nicht in seiner Praxis behandeln möchte, kam es zu einer Welle von Hassmails und heftigen persönlichen Anfeindungen in den sozialen Medien. „Wir nehmen das Ganze sehr ernst“, betonte ein Sprecher der Polizeidirektion Osnabrück auf Nachfrage des Bürger-Echos. Die Praxen und die Familie des Wallenhorster Arztes seien zeitweise unter Beobachtung und Schutz gestellt worden.

Insgesamt wurden rund 200 Beiträge von der Polizei gesichtet. Der Großteil dieser aus dem ganzen Bundesgebiet vor allem per E-Mail oder im Internet abgegebenen Meinungsäußerungen enthält zwar deutliche Kritik, sei aber von dem Recht auf freie Meinungsäußerung gedeckt. Bei mehr als 40 Beiträgen ist das anders. Sie enthalten Beleidigungen und Bedrohungen, die nach Einschätzung der Polizei strafrechtlich relevant sind. „In diesen Fällen haben wir Ermittlungen eingeleitet“, berichtet der Polizeisprecher. 

Inzwischen sind mehr als die Hälfte der Absender bekannt. In einigen Fällen sind die Ermittlungen bereits so weit, dass die Akten an die Staatsanwaltschaft weitergegeben worden sind. „Unsere Aufklärungsquote ist schon jetzt sehr gut und wir ermitteln weiter.“ Für die Polizei sei es wichtig, mögliche Straftaten aufzuklären und damit deutlich zu machen, dass man sich auch im Internet nicht alles erlauben darf. Beim Nachweis einer schwerwiegenden Bedrohung müsse man laut Strafgesetzbuch mit einer Geldstrafe oder einer Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr rechnen.

Die Aufregung im Netz und am Telefon hat sich mittlerweile ein wenig beruhigt. „In den letzten Tagen sind keine neuen Beleidigungen oder Bedrohungen mehr registriert worden“, berichtete der Polizeisprecher Mitte der vergangenen Woche. „Wir hoffen, dass es nun dabei bleibt.“ 

Auslöser des Ganzen war die Entscheidung des Wallenhorster Hausarztes Dr. Florian Balkau, einer Impfgegnerin die Behandlung in seiner Praxis zu verweigern. Als Begründung führte er vor allem an, dass er sich verpflichtet sieht, die anderen Patienten und seine Mitarbeiter so gut wie möglich vor einer Corona-Infektion zu schützen. Sein Bekenntnis zur Schutzimpfung wird ihn abgesehen von den zahlreichen Hass-Mails auch aus anderen Gründen noch eine längere Zeit beschäftigen. Sowohl die Ärztekammer Niedersachsen (AKN) wie auch die Kassenärztliche Vereinigung Niedersachsen (KVN) sind inzwischen mit dem Fall befasst.

Weil es sich um ein laufendes Verfahren handelt, möchten sich die Standesorganisationen nicht zu dem aktuellen Stand äußern. „Wir sind aber erschrocken über die Vielzahl der üblen Beleidigungen und Bedrohungen“, betont der KVN-Sprecher Detlef Haffke. Inhaltlich sei für die KVN die entscheidende Frage, ob der Arzt gegen das für Hausärzte geltende Recht verstoßen habe. Das hier ausschlaggebende Sozialgesetzbuch 5 sehe genau drei Ausnahmefälle vor, in denen der Hausarzt die Behandlung eines Patienten ablehnen darf. 

Neben einer starken Überlastung der Praxis und dem „Nein“ zu fachfremden Leistungen könne hierfür auch ein gestörtes Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patient in Frage kommen. Genau darauf könnte es in diesem Fall hinauslaufen, betonen vom Bürger-Echo befragte Fachkollegen des Wallenhorster Arztes, die ungenannt bleiben möchten. Die Aufnahme von Ermittlungen lässt übrigens noch keinerlei Aussage zu, ob wirklich ein Fehlverhalten vorliegt, sagt Detlef Haffke: „Wenn bei uns Beschwerden eingehen, sind wir in der Pflicht, diesen nachzugehen.“ Derzeit lasse sich nicht absehen, wie lange das Verfahren dauern und wie es ausgehen wird, betont der KVN-Sprecher. Es könne sein, dass sich nach der Sichtung der Stellungnahmen zeigt, dass es keinen Grund für eine Weiterverfolgung gibt. 

Unter einem anderen Blickwinkel wird der Fall derzeit bei der Ärztekammer Niedersachsen geprüft. „Falls sich die Vorwürfe erhärten, könnte ein berufsrechtliches Verfahren eingeleitet werden“, erklärt die stellvertretende Pressesprecherin Stephanie Aue. Derzeit sei aber nicht abzusehen, ob es dazu kommen wird, erklärte sie auf Nachfrage des Bürger-Echos: „Wir werden jetzt erst einmal alle Seiten hören und dann entscheiden, ob und wie es weitergeht.“ 

Dr. Florian Balkau ist mit seinem Praxis-Team nach wie vor für seine Patienten da. „Das Ganze ist für mich und meine Familie sehr belastend. Mit derart bösartigen Reaktionen habe ich nicht gerechnet.“ Gefreut habe er sich dagegen über die Zustimmung aus seinem persönlichen Umfeld – inklusive seiner Patienten – sowie von vielen Menschen aus dem ganzen Bundesgebiet. Auch die sachliche und positive Berichterstattung des Bürger-Echos tue ihm gerade in dieser schwierigen Situation gut. (H.)


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