Finanzausschuss stimmt Verwaltungsentwurf ohne Gegenstimme zu –
700.000,- Euro-Lücke im aktuellen Ergebnishaushalt und 3,5 Millionen Euro
Nettoverschuldung –
„Uns trifft das nicht so hart wie andere Kommunen“ –
Die Grünen kritisieren Verhalten des Bürgermeisters
„Wer gegen diesen Haushalt ist, muss entweder die Ausgaben reduzieren oder die Steuern erhöhen.“ CDW/W-Ratsherr Manfred Gretzmann machte bei der jüngsten Sitzung des Ausschusses für Wirtschaft und Finanzen klar, dass seine Fraktion dem von der Verwaltung vorgelegten Zahlenwerk für 2022 und die Folgejahre zustimmen wird. Zwar gehe die Entwicklung bei der Neuverschuldung in die falsche Richtung. Andererseits werde die Gemeinde allein im laufenden Jahr rund 16,8 Millionen Euro für Investitionen ausgeben. Die damit geschaffenen Werte würden letztlich allen Bürgerinnen und Bürgern zu Gute kommen. Allein für den Bildungsbereich seien 2022 mehr als 7 Millionen Euro eingeplant, die für Kindergärten und Schulen ausgegeben werden sollen.
Die Kehrseite der Medaille ist, dass die Gemeinde Wallenhorst mittelfristig mit einer zuvor nie erreichten Verschuldung von weit über 45 Millionen Euro und für 2022 mit einem nicht ausgeglichenen Ergebnishaushalt rechnen muss. Noch vor zehn Jahren war der Schuldenstand der Gemeinde Wallenhorst etwa halb so hoch gewesen. Seinerzeit hatte vor allem die SPD gefordert, dass die Schulden deutlich reduziert werden müssen.
Zur Finanzierung der umfassenden Investitionen wird für 2022 eine Nettoneuverschuldung von 3,5 Millionen Euro eingeplant. Mit einem Abbau der Schuldenlast soll möglichst ab 2024 begonnen werden, wenn es nach der mittelfristigen Finanzplanung geht. Wie gut das gelingen kann, wird nach Angaben von Gemeindekämmerer Florian Lüttkemöller abgesehen von der Entwicklung der Wirtschaftskraft von weiteren Faktoren wie etwa der Zinsentwicklung abhängen, auf die Wallenhorst wenig oder gar keinen Einfluss hat.
Sicher ist, dass sich die Lücke zwischen Einnahmen und Ausgaben im Ergebnishaushalt 2022 nach neuesten Berechnungen noch einmal um 200.000,- auf nunmehr etwa 700.000,- Euro erhöhen wird, berichtete der Kämmerer auf Nachfrage des Bürger-Echos. Das zum Haushaltsausgleich fehlende Geld kann die Gemeinde aus ihrer in besseren Jahren aufgebauten, rund 13 Millionen Euro hohen Rücklage entnehmen. „Deshalb trifft uns das Ganze nicht so hart wir andere Kommunen“, betonte Manfred Gretzmann, der die tiefroten Zahlen der Gemeinde in der Vergangenheit mehrfach als „gute Schulden“ bezeichnet hatte.
Insgesamt positiv bewertete auch der SPD-Sprecher Hans Stegemann die Finanzsituation der Gemeinde: „Wir haben ein großes Investitionspaket für Dinge auf den Weg gebracht, die für die Zukunft richtig und wichtig sind.“ Dass man für die vielen neuen Vorhaben auch neue Schulden aufnehmen müsse, „muss man in Kauf nehmen“. Wie auch die FDP stimmte die SPD dem Haushalt in der Sitzung des Finanz- und Wirtschaftsausschusses zu.
Ob die seitens der Verwaltung für 2023 in Aussicht gestellte Anhebung der Grund- und Gewerbesteuer wirklich kommen wird, sei noch nicht sicher. Das werde von der weiteren Entwicklung abhängen, betonten Hans Stegemann, Manfred Gretzmann und Bürgermeister Otto Steinkamp mit nahezu gleichlautenden Formulierungen. Falls sich die Corona-geschwächte Konjunktur wieder erholen sollte und der Landkreis Osnabrück auf eine Erhöhung der Kreisumlage verzichten sollte, könnten die mit Zusatzeinnahmen von insgesamt rund eine Million Euro pro Jahr kalkulierten Steuererhöhungen möglicherweise überflüssig werden. Immerhin würden erste Kennzahlen darauf hinweisen, dass sich Finanzen in Wallenhorst positiver als erwartet entwickeln könnten.
„Die Hoffnung stirbt zuletzt“, sagte dazu die Vorsitzende des Finanzausschusses, Marlies Robben, auf Nachfrage des Bürger-Echos (siehe Interview). In der Ausschusssitzung hatte ihr Fraktionskollege Holger Pellmann erklärt, dass die CDU noch nicht endgültig entschieden hat, ob sie bei der entscheidenden Gemeinderatssitzung am 3. Februar (um 17.30 Uhr in der Gymnastikhalle an der Fröbelstraße in Wallenhorst) „Ja“ oder „Nein“ zum Haushalt sagen wird. Im Ausschuss stimmte die CDU-Fraktion wie auch die der Grünen mit „Enthaltung“.
Der dort aus persönlichen Gründen abwesende Grünen-Fraktionschef Rüdiger Scholz spart dessen ungeachtet nicht mit Kritik. Im Gemeinderat werden die Grünen neben der „viel zu hohen Verschuldung“ auch den aus ihrer Sicht „inakzeptablen Umgang des Bürgermeisters mit den Ratsfraktionen“ zur Sprache bringen. In jüngster Zeit habe es mindestens einen Fall gegeben, in denen der Bürgermeister über die Köpfe der Politik entschieden und den Rat dann vor vollendete Tatsachen gestellt habe. „Das werden wir nicht mehr mitmachen“, kündigte Rüdiger Scholz gegenüber dem Bürger-Echo an. Was die Grünen dem Bürgermeister konkret vorwerfen, „werden wir während der Ratssitzung vortragen.“
Wie das Bürger-Echo aus anderen Quellen erfahren hat, gibt es zwischen dem Bürgermeister und mehreren Ratsfraktionen unterschiedliche Meinungen über den Zeitpunkt der Neubesetzung und der künftigen inhaltlichen Ausgestaltung der Frauenbeauftragten-Stelle, deren Amtsinhaberin voraussichtlich im kommenden Sommer in den Ruhestand gehen wird. Mehr war dazu bis zum Redaktionsschluss nicht zu erfahren, da das Thema erst später in dem nicht-öffentlich tagenden Verwaltungsausschuss behandelt werden sollte. (H)
Kommt da noch mehr?
Kommentar von Redakteur Klaus Hilkmann
Kein ausgeglichener Haushalt, eine millionenschwere Neuverschuldung und Steuererhöhungen für alle, die in Wallenhorst ein Eigenheim oder Unternehmen besitzen: Noch vor zehn oder 15 Jahren hätte ein entsprechender Haushaltsplan sicher für große Aufregung in Rat und Verwaltung gesorgt. Jetzt ist alles anders. Im Finanzausschuss wird der Rekordschulden-Etat ohne lange Diskussionen und ohne Gegenstimmen durchgewunken. Nicht ein einziges Ratsmitglied meldet ernsthafte Bedenken an. Stattdessen wird ohne Widerspruch von „guten Schulden“ und den damit geschaffenen Werten gesprochen.
Doch ist wirklich alles so positiv? Eher nicht. Wie unsicher das Wirtschaften mit viel geliehenem Geld ist, wird einerseits bei den Gemeindewerken klar. Hier ist aus mehreren Gründen zweifelhaft, ob die von der Gemeinde investierten Millionen jemals wieder hereinkommen und den Haushalt entlasten werden. Mit Blick auf die zum Teil sehr alten Versorgungsnetze scheint das Gegenteil der Fall zu sein. Derzeit weiß niemand, ob und wann hier hohe Investitionen nötig werden, um das Netz fit für die Zukunft zu machen. Zum Nulltarif wird der Umstieg in eine klimafreundlichere Versorgung jedenfalls wohl nicht gelingen.
Ähnlich ungewiss ist die Entwicklung der Baukosten für die zahlreichen Neubauprojekte. Die Gemeinde musste hier zuletzt immer wieder viel Geld nachfinanzieren. Die millionenschweren Zusatzausgaben für die neue Wallenhorster Kinderkrippe sind hier nur ein besonders teures von mehreren Beispielen aus jüngster Vergangenheit.
Dazu kommen etliche weitere Unwägbarkeiten, auf die Wallenhorst kaum oder gar keinen Einfluss hat. Dazu zählt neben einer möglichen Anhebung der Kreisumlage durch den finanziell klammen Landkreis Osnabrück ab 2023 vor allem eine schon in diesem Jahr mögliche Erhöhung der Zinsen. Nur ein Prozent mehr würde der hoch verschuldeten Gemeinde Wallenhorst mit einer hohen sechsstelligen Summe zu stehen kommen. All das wirft die bange Frage auf, ob da noch mehr kommen könnte.
Wenn 2022 und in den Folgejahren alles richtig gut läuft, kann alles gut gehen. Die Gemeinde Wallenhorst könnte dann trotz allem besser als andere Kommunen durch die Corona-Krise kommen. Zur Wahrheit gehört aber auch, dass die ambitionierten Pläne und schönen Neubauten der jüngsten Jahre ein hohes finanzielles Risiko bedeuten, weil sie zu einem großen Teil mit Geld finanziert wurden, das die Gemeinde Wallenhorst nicht hat. Allein um auf den Schuldenstand vor rund zehn Jahren zurückzukommen, müsste die Gemeinde 20 Jahre lang mehr als eine Million Euro tilgen – jedes Jahr und plus Zinsen.
Ob und wie das gelingen könnte, ist in den Diskussionen um den aktuellen Haushalt 2022 bislang allenfalls ein Randthema. Stattdessen lassen sich der Bürgermeister und die SPD-Fraktion mit großer Verve über die 10.000,- Euro für Anwaltskosten aus, die in Folge der „FDP-Klage“ entstehen. Über deren Sinn kann man sich tatsächlich trefflich streiten. Angesichts der Rekordverschuldung und zahlreicher Unwägbarkeiten, die weitere Finanzlöcher für die Gemeinde nach sich ziehen könnten, bleibt die Frage: Sollten im Sinne der Bürger und Steuerzahler nicht eher andere Themen im Fokus der Haushaltsdiskussion stehen? (H.)
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