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Gemeinde greift den Bürgern tiefer in die Tasche

Haushalt 2023: Ausgleich nur dank Reduzierung der Rücklage möglich –

Verwaltung empfiehlt höhere Steuern und Abgaben –

Mehr als acht Millionen neue Schulden für Investitionen –

Minus erreicht 2024 neuen Rekordstand von fast 49 Millionen Euro

Trotz neuer Schulden in Rekordhöhe und deutlich erhöhten Steuern wird die Gemeinde Wallenhorst nicht mit einem ausgeglichenen Haushalt in das nächste Jahr gehen. Bei der Vorstellung des Haushalts 2023 hatte Gemeindekämmerer Florian Lüttkemöller schwere Kost im Gepäck. Er rechnet im Ergebnishaushalt für 2023 mit Einnahmen von rund 50,69 Millionen Euro, denen fast 51,28 Millionen Euro an Ausgaben entgegenstehen. Das Minus von knapp 588.000 Euro soll durch eine Entnahme aus der in besseren Jahren aufgebauten Rücklage geschlossen werden.

Für die Folgejahre ab 2024 könne die Gemeinde mit einer „schwarzen Null“ rechnen, betonte der Kämmerer bei der Vorstellung des Verwaltungsentwurfs für den Haushalt 2023 in der jüngsten Sitzung des Gemeinderates. Für den Haushalt 2026 sehen die Berechnungen sogar wieder ein Plus von knapp 390.000 Euro vor. Voraussetzung sei allerdings, dass sich die allgemeine Wirtschaftslage nicht weiter verschlechtert. Eine Einschätzung sei hier aber wie ein Blick in die Glaskugel. Derzeit müssten alle Kommunen mit vielen finanziellen Unbekannten kalkulieren. Ein Beispiel: In Wallenhorst werden allein die drastisch gestiegenen Energiepreise 2023 etwa 1,3 Millionen Euro Mehrkosten verursachen.

Ihren Bürgerinnen und Bürger wird die Gemeinde im kommenden Jahr gleich zwei Mal tief in die Tasche greifen. Zum Einen werden neben der Gewerbesteuer auch die für landwirtschaftliche Anwesen und Eigenheime erhobenen Grundsteuern A und B um jeweils etwa zehn Prozent angehoben. Allein von den Grundstücksbesitzern – und damit letztlich auch den Mietern – sollen so zusätzliche Steuergelder von jährlich 264.000 Euro für die Gemeindekasse zusammenkommen. Darüber hinaus sollen die Gebühren für den Schmutzwasserkanal zum 1. Juli 2023 oder zum 1. Januar 2024 um gleich 30 Prozent steigen, was für einen 4-Personenhaushalt ein Plus von rund 100 Euro pro Jahr ausmacht, kündigte Florian Lüttkemöller an.

Die höhere Steuer- und Abgabenbelastung der Bevölkerung wird nichts daran ändern, dass die Gemeinde auch in Zukunft neue Schulden aufnehmen muss, um die in den Haushalt eingestellten Investitionen bezahlen zu können. 2023 rechnet der Kämmerer mit einer Nettoneuverschuldung von mehr als acht Millionen Euro. Demnach wird rund ein Drittel des in diesem Jahr geplanten Investitionsvolumens von gut 25 Millionen Euro durch Geld finanziert, das die Gemeinde nicht hat und für das in Zeiten nahezu zweistelliger Inflationsraten höhere Zinsen fällig werden als noch vor einem oder zwei Jahren.

Die Verschuldung der Gemeinde hatte schon in den Haushaltjahren vor Corona sowie der aktuellen Energie- und Ukraine-Krise immer neue Rekordhöhen erreicht. Der Gipfel soll in Wallenhorst nach den neuesten Berechnungen 2024 mit nunmehr fast 49 Millionen Euro erreicht sein, was noch einmal vier Millionen mehr sind als im Haushalt 2022 erwartet worden war. In den Jahren bis 2014 – also vor dem Amtsantritt von Bürgermeister Otto Steinkamp und der Mehrheit von SPD und CDW/W im Gemeinderat – war die Verschuldung nicht einmal halb so hoch gewesen. Die Pro-Kopf-Verschuldung in der 23.000 Einwohner-Gemeinde Wallenhorst beträgt inzwischen mehr als 2000 Euro.  

Ohne die für 2023 geplanten Steuererhöhungen würde die Gemeinde Wallenhorst die 50 Millionen Euro-Marke bei der Verschuldung wohl spätestens 2024 überspringen. Genau das droht angesichts der millionenschweren Investition in den nächsten Jahren aber ohnehin. So wird die hohe Inflation vermutlich auch in Wallenhorst dafür sorgen, dass zum Beispiel die Kosten für die neuen Tief- und Hochbauvorhaben teurer werden wie vorgesehen. Da dem vermutlich keine höheren Einnahmen entgegenstehen, wäre dann eine weitere Neuverschuldung erforderlich, um das Ganze bezahlen zu können.

Das Schlusswort von Otto Steinkamp zum Haushalt 2023 lässt hier wenig Gutes erwarten. Der Bürgermeister verwies einerseits darauf, dass eine verlässliche Haushaltsplanung durch die schwierigen aktuellen Rahmenbedingungen erschwert werde. Zudem warb er schon jetzt um Verständnis dafür, dass die Gemeinde gegen höhere Baukosten und andere von außen bestimmte Mehrausgaben wenig tun könne. Immerhin könne es aber mit der von der Verwaltung empfohlenen  Steuererhöhung gelingen, die Neuverschuldung erst einmal zu begrenzen.

Eine Diskussion über den Haushalt 2023 gab es bei dessen Einbringung noch nicht. Die Ratsfraktionen werden nun zunächst intern beraten, wie sie mit dem Zahlenwerk umgehen werden. Wenn es nach der Verwaltung geht, soll der Haushalt 2023 in der Ratssitzung am 6. Dezember diskutiert und beschlossen werden. (H.)


Kommentar

...von Redakteur Klaus Hilkmann

Bürger zahlen die Zeche

Kein Abenteuerspielplatz, kein Krankenhaus und auch kein Schwimmbad: Anders als viele andere Kommunen vergleichbarer Größe gibt es in Wallenhorst keine für jeden Bürger und Steuerzahler zugänglichen Einrichtungen, die das Leben lebenswerter machen, aber auch viel Geld kosten. Ein Blick in die zum Teil besser versorgte Nachbarschaft lässt Fragen aufkommen, warum der Schuldenstand in Wallenhorst seit 2014 immer neue Rekordhöhen erreicht und wie es die Gemeinde schaffen will, seine Bürgerinnen und Bürger wieder von dieser Hypothek zu befreien.

Sicher ist, dass der Großteil der Ausgaben für sinnvolle Maßnahmen verwendet wurde. Die Investitionen für neue Kindergarten- und Schulgebäude, für ein weiteres modernes Feuerwehrhaus oder sichere Radwege und Straßen – um nur einige Beispiele zu nennen – werten die Gemeinde auf und kommen letztlich allen Einwohnern zu Gute. Dabei ist es richtig, wie in Wallenhorst gewohnt auf Qualität zu setzen, die zumeist auch ihren (etwas höheren) Preis hat. Und auch, dass zur Finanzierung großer Wünsche mitunter ein Kredit nötig ist, kennt wohl fast jeder auch aus eigener Erfahrung.    

Das Problem in Wallenhorst ist ein anderes: Hier ist das Schuldenmachen nicht mehr die Ausnahme, sondern die Regel geworden. Die Gemeinde finanziert ein Großteil ihrer Investitionen seit Jahren zu einem Großteil auf Pump.

In der aktuellen Krise rächt sich nun, dass man die wirtschaftlich guten Jahre nicht wie anderenorts zum Schuldenabbau genutzt hat. Im Gegenteil: Es wurden immer neue Wünsche erfüllt, für die man in der Summe eigentlich nicht ausreichend Geld hatte. Das Ergebnis ist im Haushalt 2023 ablesbar: Eine Rekordverschuldung von fast 50 Millionen Euro, die in Folge der Inflation und Energiekrise noch deutlich ansteigen könnte.

Die Zeche müssen die Bürgerinnen und Bürger schon bald mit höheren Steuern und Abgaben zahlen. Der Bürgermeister hat hier bei der Vorstellung des neuen Haushalts immerhin Klartext gesprochen: Ohne die von der Verwaltung empfohlene Grundsteuer- und Gewerbesteuererhöhung würde die Verschuldung noch weiter ansteigen. Der Gemeinde bleibt somit nichts anderes übrig als ihre Bürger ausgerechnet in schweren Zeiten mehr als bisher zur Kasse zu bitten.

Wirklich bedenklich macht ein Ausblick auf die Zukunft. Schon für 2023 ist es höchst unsicher, ob es bei den kalkulierten Ausgaben bleiben wird. Bereits in den letzten, wirtschaftlich stabilen Jahren wurden immer wieder etliche Millionen mehr für verschiedene Baumaßnahmen bezahlt wie zunächst geplant.

Auch aktuell ist die Liste teurer Zusatz-Wünsche aus der Politik lang und der Bürgermeister erklärt schon jetzt öffentlich, dass die Millionen-Baumaßnahmen der Gemeinde wohl viel teurer werden wie bislang kalkuliert.

Aus dem fast 50 Millionen-Minus könnte somit schon bald eine noch viel höhere Verschuldung werden, die schon die heutige Generation belastet. Das sind dann sicher keine guten Schulden mehr, von denen Sprecher der Ratsmehrheit von SPD und CDW/W immer wieder gern sprechen – zumindest nicht für diejenigen, die das Geld zurückzahlen müssen. (H.) 


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