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Kompromiss bei der Kreisumlage in Sicht

Wallenhorster Kreistagsabgeordnete offen für Erhöhung um einen Punkt  – 

Landkreis-Forderung für Bürgermeister Otto Steinkamp „nicht gerechtfertigt“ –

Ein klares „Nein“ auch von Guido Pott

Dem Landkreis Osnabrück geht es finanziell derzeit ähnlich wie den meisten anderen Kommunen: Nach tiefroten Zahlen in 2021 und 2022 droht ein weiteres Millionen-Minus im aktuellen Haushaltsjahr. Wenn es nach der Landkreis-Verwaltungsspitze mit der Grünen-Landrätin Anna Kebschull geht, soll das finanzielle Defizit zumindest teilweise durch eine Anhebung der Kreisumlage von 44 auf 47 Punkte ausgeglichen werden. Das würde bedeuten, dass die kreisangehörigen Gemeinden und Städte im laufenden Jahr zusammen knapp 15,7 Millionen Euro an den Landkreis Osnabrück überweisen müssten. Die Gemeinde Wallenhorst müsste allein für 2023 mit Mehrkosten von über eine Million Euro rechnen.

Bei den betroffenen Kommunen stößt das Vorhaben auf großen Widerstand. „Die finanziellen Rahmenbedingungen des Landkreises Osnabrück rechtfertigen keine Erhöhung der Kreisumlage“, schreibt der Wallenhorster Bürgermeister Otto Steinkamp auf Nachfrage des Bürger-Echos. Der Landkreis werde schon mit den derzeit geltenden 44 Punkten „im Jahr 2023 circa 30,2 Millionen Euro Mehreinnahmen erzielen.“ Die Kommunen hätten in Folge von Corona und des Ukraine-Kriegs selbst mit großen Haushaltsproblemen zu kämpfen. Bei einer vor Kurzem durchgeführten Anhörung wurde seitens der beteiligten Bürgermeister nochmals deutlich gemacht, dass „aktuell eine Erhöhung des Kreisumlagesatzes nicht erforderlich ist.“

Landkreis-Sprecher Henning Müller-Detert bewertet die Finanzlage anders. Er verweist gegenüber dem Bürger-Echo darauf, dass die Kreisumlage 2019 von 47 auf 44 Punkte gesenkt worden war. Auch nach der jetzt empfohlenen Rückkehr auf den bis vor vier Jahren geltenden Satz würde ein Defizit von 9,7 Millionen Euro im Kreishaushalt verbleiben. Angesichts von 5,22 Millionen Euro, die ein Punkt Kreisumlage einbringt, würde das Landkreis-Minus bei einem kompletten Verzicht auf die Anhebung auf rund 25,4 Millionen Euro anwachsen. „Die finanzielle Situation des Landkreises würde über das bestehende Maß hinaus weiter angespannt bleiben.“

Als wesentliche Gründe für die Finanzprobleme verweist der Landkreis abgesehen von dem „hohen Inflationsdruck“ auf die „sehr kostenintensiven Budgets der Jugend- und Sozialhilfe.“ Bei der Kinderbetreuung trage der Landkreis seit 2021 mit nunmehr 50 Prozent einen deutlich erhöhten Anteil der laufenden Kosten. Zudem sei seit 2022 klar, dass der Landkreis Osnabrück den Breitbandausbau in den so genannten weißen Flecken – also noch unversorgten Bereichen – des Kreisgebiets allein finanzieren müsse. Anders als seine angehörigen Kommunen habe der Landkreis „keine nennenswerten eigenen Steuererhebungsrechte“, heißt es in dem Schreiben an das Bürger-Echo weiter. Die Kreisumlage sei das vom Gesetzgeber vorgesehene Instrument für eine Beteiligung an den Steuereinnahmen.

In den nächsten Tagen und Wochen werde es zu diesem Thema auf verschiedenen Ebenen noch viele intensive Gespräche geben, erklärten neben dem Landkreis-Sprecher und Bürgermeister Otto Steinkamp auch mehrere Kreistagsabgeordnete, die letztlich bei der Kreistagssitzung am 20. März über die Höhe der Kreisumlage entscheiden müssen. Wie sie in dieser Frage abstimmen werden, hat das Bürger-Echo die fünf Wallenhorster Kreistagsabgeordneten Ellen Akkermann (die Grünen), Clemens Lammerskitten (CDU), Michael Lührmann (CDW/W), Guido Pott (SPD) und Markus Steinkamp (FDP) in einer am gleichen Tag verschickten Mail gefragt.

Die bis zum Redaktionsschluss eingegangenen Antworten der Politiker weisen darauf hin, dass es im Kreistag zu einer Kompromisslösung mit einer Kreisumlagenerhöhung von zwei oder eher einem Punkt kommen könnte. „Ich persönlich werde keinen Beschluss mit zwei oder drei Punkten mehr mittragen“, betont zum Beispiel Clemens Lammerskitten: „Ein Punkt ist für mich das Ende der Fahnenstange.“ Jeder Euro, den Wallenhorst zusätzlich an den Landkreis überweise, fehle in der Kasse der Gemeinde. Der für 2023 beschlossene Gemeindehaushalt sehe „richtigerweise keine Anhebung der Kreisumlage vor.“ Sollte es zu einer Erhöhung von 44 auf 47 Punkte kommen, würde die Gemeinde Wallenhorst wohl nicht um einen Nachtragshaushalt zur Finanzierung der Millionen-teuren Mehrausgabe herumkommen.

An einen Kompromiss glaubt auch der stellvertretende Landrat Michael Lührmann. „ich bin sowohl Vertreter im Kreistag, als auch im Gemeinderat, was für mich bedeutet, dass ich in beiden Gremien Verantwortung übernehme.“ Die ablehnende Haltung der Bürgermeister sei für ihn „natürlich nachvollziehbar und findet in meiner Abwägung Berücksichtigung.“ Zur Bewältigung der „aktuell schwierigen Situation“ empfiehlt Michael Lührmann allen ihre Ausgaben zu überprüfen. Für ihn sei es „selbstverständlich, dass diese Anstrengung auch im Landkreis angestellt werden muss.“ Für die Gemeinde Wallenhorst hätte die von der Kreisverwaltung vorgeschlagene Umlagenerhöhung erhebliche Auswirkungen auf die Erfüllung der Aufgaben der Gemeinde. „Damit wir diesbezüglich in keine Schieflage geraten“, werde er sich bei der Suche nach einem Kompromiss „mit aller Kraft“ einbringen.   

„Wir als Fraktion und auch ich persönlich möchten lediglich eine Anhebung der Kreisumlage um einen, nicht um drei Punkte mittragen“, erklärt Markus Steinkamp. Zwar habe man mit Blick auf die finanziellen Mehrbelastungen des Landkreises etwa durch die Kinderbetreuung und den Breitbandausbau durchaus Verständnis „für eine Mittelverschiebung von den Kommunen hin zum Kreis.“ Dessen ungeachtet sei sich die FDP-Fraktion einig, dass dies nur bis zu einer bestimmten Grenze angemessen ist. Von den Kommunen könne keine Haushaltsdisziplin erwartet werden, „wenn der Kreis nicht selbst ambitioniert spart und mit gutem Beispiel vorangeht.“

Die gegenüber dem Haushaltsentwurf fehlenden Einnahmen solle die Kreisverwaltung „durch eine globale Minderausgabe von zwei Prozent kompensieren.“ Ungeachtet früherer politischer Entscheidungen solle dafür „konsequent jede Ausgabe auf den Prüfstand gestellt werden.“ Auch wenn der Kreistag die Kreisumlage um nur einen Punkt erhöhen sollte, würde das den Fehlbetrag der Gemeinde Wallenhorst in diesen und den nächsten Haushaltsjahren weiter vergrößern, betont Markus Steinkamp: „Das bedeutet dann schlichtweg noch höhere Schulden für die Gemeinde und eine Belastung der Bürger in der Zukunft.“ Nun räche sich, dass die Ratsmehrheit „die Ausgaben im Rahmen der Haushaltsberatungen noch ausgeweitet hat, ohne die Einnahmen der Gemeinde 2023 zu verbessern“.

„Unser Zukunftsbündnis aus Grünen, CDW/FDP und CDU setzt sich für eine verträgliche Erhöhung der Kreisumlage ein“, betont Ellen Akkermann. Gleichzeitig seien Sparmaßnahmen in der Kreisverwaltung erforderlich. „Jede Ausgabe, jede zusätzliche Personalmaßnahme muss gründlich auf den Prüfstand gestellt werden.“ Eine Anhebung um drei Punkte „halte ich schon im Hinblick auf die kommenden Generationen nicht für gerechtfertigt.“ Da der Landkreis immer mehr Aufgaben – teilweise auch für die Kommunen – wahrnehmen müsse, werde man nicht ganz um eine Anhebung der Kreisumlage herumkommen. „Ich persönlich wäre für einen Punkt Erhöhung“, führt die Grünen-Politikerin aus.

Ein klares „Nein“ gibt es von Guido Pott: „Die SPD-Kreistagsfraktion und auch ich persönlich folgen der Argumentation der Bürgermeister und werden in der Kreistagssitzung im März jegliche Erhöhung der Kreisumlage ablehnen.“ Wichtig ist, dass für das laufende Jahr geplante Projekte der Gemeinde nicht in Frage gestellt werden. Jetzt müsse es darum gehen, drohende Mehrbelastungen von außen im Kreistag abzuwenden. „Eine Erhöhung des Umlagesatzes um drei Punkte würde zu einer überproportionalen Belastung der Kommunen führen.“ Deren finanzielle Handlungsfähigkeit müsse auch mit Blick auf die „allerorten notwendigen Investitionen in den Kita- und Ganztagsausbau unbedingt gewahrt werden. (H.)


KOMMENTAR

von Redakteur Klaus Hilkmann

Das eigene Tun hinterfragen

 

Immer mehr, immer besser und immer teurer: Die aktuelle Diskussion um die Erhöhung der Kreisumlage macht deutlich, wohin eine Ausgabenpolitik mit vollen Händen führt. Die Kassen sind allerorten leer. Inzwischen stehen auch lange Zeit an schwarze Zahlen gewöhnte Kommunen wie der Landkreis Osnabrück und die Gemeinde Wallenhorst vor dem Problem, dass sie ihren Haushalt nicht mehr aus eigener Kraft ausgleichen können.  

Dass der Landkreis als vermeintliche Lösung den Kommunen noch etwas tiefer in die Taschen greifen möchte, kann angesichts der in vielen Bereichen davon galoppierenden Kosten kaum verwundern. Auch im privatem Leben wäre man mitunter froh, wenn andere für Extras aufkommen würden, die man sich eigentlich nicht leisten kann. Nur leider findet sich meistens niemand, der dazu bereit ist. Ähnliche Erfahrungen hat jüngst auch die Wallenhorster Gemeindeverwaltung gemacht. Das Ansinnen, das zur Haushaltsdeckung fehlende Geld durch Steuererhöhungen bei den Bürgern einzufordern, wurde vor knapp einem Vierteljahr mit großer Mehrheit vom Gemeinderat abgelehnt.

Als Folge steht Wallenhorst nun vor einem ähnlichen (Finanz)-Problem wie der Landkreis: Ein unguter Mix aus zusätzlichen, von außen auferlegten Pflichten und einer selbst verantworteten Verteilung von Wohltaten sorgt dafür, dass die Einnahmen einfach nicht mehr zur Ausgabendeckung reichen. Darauf mit einer Erhöhung von Steuern, Angaben oder der Kreisumlage zu reagieren, ist verlockend – aber zu einfach und zu kurz gedacht. Statt die gerade jetzt ohnehin verunsicherten Bürger weiter zu belasten, sollten die kommunalen Verwaltungen besser kritisch überprüfen, wo sie sparen und damit die Ausgaben reduzieren können.

Als besonders kostenintensive Last nennt der Landkreis neben dem Inflationsdruck die Budgets der Jugend- und Sozialhilfe. Wenn dies so ist, sollten auch hier die Ausgaben auf den Prüfstand gestellt werden, statt immer neue kostenträchtige Beschlüsse zu fassen. Wenn alle den Gürtel enger schnallen sollen, muss das inklusive gut verdienender Familien in einer Solidargemeinschaft für alle gelten. Die Wahrheit ist, dass manches, an das man sich gern gewöhnt hat, auch in  Wallenhorst künftig nicht mehr bezahlbar sein wird.

Für den Landkreis hat der stellvertretende Landrat Michael Lührmann nun einen konsequenten Sparkurs eingefordert. Unabhängig davon, wie stark die Kreisumlage letztlich erhöht wird, ist das auch für Wallenhorst ein gutes Zeichen. Immerhin zählt Lührmann zur Ratsmehrheit aus SPD und CDW/W, die in Wallenhorst für eine Rekordverschuldung von 50 Millionen Euro mitverantwortlich ist. Das Bekenntnis zur Umkehr kommt spät, ist aber besser als ein „Weiter so“.

An konkreten Sparideen mangelt es jedenfalls nicht. Um nur einige Beispiele zu nennen: Muss sich eine 23.000 Einwohner-Gemeinde gleich zwei hauptamtliche Stellen für den Klima- und Umweltschutz leisten, was bringt die hoch dotierte Wirtschaftsförderung und nicht zuletzt – warum kosten die Baumaßnahmen der Gemeinde regelmäßig sehr viel mehr als geplant? All dies sind Fragen, deren Beantwortung ein erster Schritt raus aus den Schulden wäre. Das bedeutet letztlich auch: Für Politik und Verwaltung in Wallenhorst geht es bei der Haushaltskonsolidierung weniger um die Höhe der Kreisumlage, als darum, das eigene Tun kritisch zu hinterfragen. Nur zu. (H.)


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