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Ausbau der A 30 ist nun die Nummer 1

Neues Beschleunigungsgesetz der Bundesregierung setzt neue Prioritäten für die Autobahnplanung:

Kein besonderes öffentliches Interesse für den A 33-Neubau –

Verkürztes Verfahren gilt nicht für den Neubau der A 33-Nord zwischen Wallenhorst und Belm – „Das bedeutet noch keine Entwarnung“

Alle Ampeln auf Grün für den Ausbau der A 30 von vier auf sechs Spuren in Osnabrück und eher gelbes Licht für den Neubau der A 33-Nord zwischen Wallenhorst und Belm: Die aktuellen Beschlüsse der SPD/Grünen/FDP-Bundesregierung zum Autobahnbau setzen in unserer Region neue Prioritäten. Für den Verkehrsfachmann und Grünen-Politiker Volker Bajus ist die Sache klar: „Mit dem aktuellen Beschluss der Ampelkoalition zieht der Ausbau der A 30 planerisch am Neubau der A 33-Nord vorbei“, erklärt der Landtagsabgeordnete (MdL) und stellvertretende Fraktionsvorsitzende im Osnabrücker Stadtrat.

Ähnlich äußert sich gleichfalls auf Nachfrage des Bürger-Echos der SPD-MdL Frank Henning, der sowohl im Landtag in Hannover wie auch in der Stadt Osnabrück zusammen mit Volker Bajus einer rot-grünen Regierungskoalition angehört. „Ja, das würde ich jetzt so sehen“, antwortet Frank Henning auf die Frage, ob der sechsspurige A 30-Ausbau nun das Neubauvorhaben Nummer 1 in der Region ist. Die Ampelkoalitionäre in Berlin hätten für dieses Vorhaben – und nicht für die A 33-Nord – „das besondere öffentliche Interesse festgestellt“.

Warum der A 30-Ausbau zwischen dem Lotter Kreuz und dem Osnabrücker Südkreuz zu den insgesamt sechs Autobahnprojekten in Niedersachsen zählt, die nach dem aktuellen Beschluss der Bundesregierung auf der Überholspur in Fahrt kommen sollen, erklärt Volker Bajus mit Blick auf die Bestimmungen des Bundesverkehrswegeplans, in dem beide Vorhaben als weiterhin „vorrangig“ eingestuft sind. Demnach ist der sechsstreifige Ausbau der A 30 „für die europäische Infrastruktur von Bedeutung, während die A 33-Nord allenfalls regional wirken könnte“.

Der Grünen-MdL geht in seiner Bewertung der politischen Neuentwicklung noch einen Schritt weiter: „Damit bekommt der Vorschlag eines Moratoriums aus den Reihen des Umweltforums eine Chance, weil es für die A 33-Nord eine Alternative gäbe.“ Aus grüner Sicht sei einerseits jeder Aus- oder Neubau von Autobahnen klimapolitisch kritisch und eine Belastung für die Anwohner, teilt Volker Bajus weiter mit: „Die A 33-Nord ist klima- und umweltpolitisch aber deutlich problematischer.“ Genau das sieht der SPD-Politiker Frank Henning anders: „Ich halte beide Maßnahmen für notwendig, um den Schwerlastverkehr aus der Osnabrücker Innenstadt herauszuhalten.“

Was die neue Autobahn-Priorisierung des Bundes unabhängig von politischen Bewertungen bedeutet, erklärt das zuständige Bundesministerium für Digitales und Verkehr gegenüber dem Bürger-Echo unter anderem wie folgt: „Der Gesetzentwurf sieht… vor, dass ausgewählte Verkehrsinfrastrukturprojekte im überragenden öffentlichen Interesse liegen und der öffentlichen Sicherheit dienen. Diese Vorhaben sollen künftig deutlich schneller umgesetzt werden.“ Wie viel schneller, hänge auch in Zukunft von den spezifischen Rahmenbedingungen jedes einzelnen Projekts ab, betont eine Sprecherin des Ministeriums: „Klar ist aber, dass die Verfahren und Abwägungsentscheidungen vereinfacht und die Dauer verkürzt wird.“  

Anders als die A 33-Nord steht der A 30-Ausbau planerisch noch fast am Anfang. „Aktuell befindet sich das Projekt im Vorentwurf“, berichtet die Autobahn GmbH des Bundes, Außenstelle Westfalen. Das im weiteren Verlauf folgende Planfeststellungsverfahren habe die A 33-Nord bereits erreicht. Ein nach dessen Abschluss möglicher Bau-Startschuss ist nach Einschätzung der zuständigen Trägerin des Vorhabens allerdings wohl noch in weiter Ferne: „Eine belastbare Prognose für den Planfeststellungsbeschluss kann zum derzeitigen Zeitpunkt nicht abgegeben werden“, schreibt die Autobahn GmbH auf Nachfrage des Bürger-Echos.

Bis jetzt gibt es jedenfalls noch keinen Erörterungstermin, bei dem sich die Planungsbehörde zu den zahlreichen kritischen Einwendungen gegen den A 33-Neubau äußern muss. Die Planung ist unter anderem deshalb problematisch, weil keineswegs sicher ist, ob das Ganze im Fall einer (sehr wahrscheinlichen) Klage letztlich vor dem Bundesverwaltungsgericht bestehen würde. Dass die neue Autobahntrasse mitten durch ein europäisches FFH-Naturschutzgebiet führt, könnte „mit einer großen Wahrscheinlichkeit ein rechtliches KO-Kriterium für das Vorhaben sein“, erwartet etwa der Wallenhorster CDU-Politiker Clemens Lammerskitten.

Das vom Bürger-Echo dazu befragte Bundesamt für Naturschutz schließt zwar nicht aus, dass eine Autobahn durch ein FFH-Gebiet führen kann. Dafür gebe es aber sehr hohe Anforderungen vor allem für den Arten-, Natur- und Umweltschutz. Ob diese Kriterien allesamt ausreichend berücksichtigt worden sind, müsse im Zweifelsfall gerichtlich geklärt werden. Wie lange das im Einzelfall dauert, könne sehr verschieden sein. Da das beschleunigte Verfahren beim A 33-Neubau nicht gilt, wird sich das Planungstempo auch rund 40 Jahren nach den ersten Diskussionen zum Ärger von Befürwortern wohl kaum verändern. „Nicht nachvollziehbar“, ist die Entscheidung der Berliner Ampelkoalition etwa für den Osnabrücker CDU-Bundestagsabgeordneten Dr. Matthias Middelberg.    

„Völlig klar“ ist nach Einschätzung von Greenpeace Deutschland dagegen, dass der A 33-Neubau mit jedem weiteren Wartejahr schon aus finanziellen Gründen unwahrscheinlicher wird. „Die Baukosten werden pro Jahr um mindestens zehn Prozent ansteigen. Das wird auch bei der A 33-Nord so sein“, erklärt der Greenpeace-Sprecher für Mobilität, Gregor Kessler, im Gespräch mit dem Bürger-Echo. Letztlich werde auch diese Autobahn so teuer werden, dass der Neubau nicht nur wegen der negativen Auswirkungen auf Natur und Umwelt, sondern auch gegenüber den Bürgern und Steuerzahlern nicht mehr zu verantworten ist. Genau das sehen übrigens auch die Anti A 33-Aktivisten so, die nach wie vor in Baumhäusern und Camps entlang der geplanten Autobahntrasse ausharren.    

Ob letztlich die radikalen Aktivisten, langjährige örtliche A 33-Nord-Gegner wie der Bürgerverein Wallenhorst, das Bundesverwaltungsgericht oder letztlich sogar die Bundesregierung für ein Ende der inzwischen über 40 Jahre alten Neubau-Überlegungen sorgen werden, kann derzeit niemand sagen. Sicher ist nur eines: Für die aktuell verantwortlichen Entscheider aus der Politik hat der Ausbau der A 30 klare Priorität. Der SPD-Landtagsabgeordnete Frank Henning schreibt dem Bürger-Echo dazu: „Es macht Sinn mit dem sechsstreifigen Ausbau der A 30 und erst danach den A 33-Lückenschluss zu beginnen.“

Wenn es so kommt, wird es zwischen Wallenhorst und Belm deutlich länger als zwischen Osnabrück und Lotte dauern, bis die ersten Bagger zum Bäumefällen und Autobahnbau anrollen. „Entwarnung bedeutet das für uns nicht. Wir werden weiter wachsam und gegen den A 33-Nord-Neubau aktiv bleiben“, betont Geschäftsführer Karl-Heinz Bergmann für den Bürgerverein Wallenhorst. Das Bürger-Echo wird das Ganze weiter genau im Blick haben und ist auch gespannt, ob und wie die von der Neuentwicklung betroffenen A 30-Anwohner in und um Osnabrück reagieren werden.

Eine Stellungnahme gibt es dazu bereits von dem Wallenhorster Grünen-Vorsitzenden Mario Wöstmann: „Dadurch werden die dort lebenden Menschen noch mehr belastet, weil mehr Straßen eben auch zusätzlichen Verkehr bedeuten.“ Er hoffe für die A 30-Anwohner, dass etwa durch eine Einhausung der gesamten Strecke „zumindest das Maximale an Lärmschutz erreicht wird“. Den Bau der A 33-Nord lehnen die Wallenhorster Grünen nach wie vor ab. Statt weiter darauf zu setzen, empfiehlt Mario Wöstmann der Stadt Osnabrück, den Radverkehr sicherer zu machen. Wenn mögliche Berührungspunkte zum Lkw-Verkehr zum Schutz der Radfahrer auf ein Minimum reduziert werden, würde „ein vermeintliches Pro Autobahn-Argument wegfallen“. (H.)


Kommentar

...von Redakteur Klaus Hilkmann

Vorsicht

War‘s das für die A 33-Nord? Mit viel Optimismus kann man aus den aktuellen Entscheidungen der Bundesregierung folgern, dass aus dem unsinnigen Vorhaben das wird, was Gegner wie der Bürgerverein Wallenhorst seit langem fordern: Ein Stopp der Planung zugunsten alternativer Ideen für Verkehrsverbindungen, die für Mensch und Umwelt besser verträglich sind.

Doch Vorsicht: Noch gibt es keine entsprechenden Beschlüsse der politisch Verantwortlichen. Die jetzt beschlossene Priorisierung bedeutet lediglich, dass Projekte wie der A 30-Ausbau mit Vollgas vorangetrieben werden sollen. Nicht-Priorisierte Vorhaben wie die A 33-Nord wurden nicht gestoppt, sondern laufen im unveränderten Tempo weiter. Das Ergebnis könnte für unsere Region so ausfallen, wie es der SPD-Politiker Frank Henning erwartet: Die Fertigstellung beider neuer Autobahnen. Der Unterschied zum aktuellen Stand wäre nur, dass der A 30-Ausbau möglicherweise etwas eher als der A 33-Neubau realisiert wird.

Genau das wäre für die durch die neuen Autobahnen belasteten Menschen sowie für Natur- und Umwelt der „Worst Case“. Dabei sollte doch klar sein: Wer die Klima- und Verkehrswende wirklich will, muss auf neue Autobahnen verzichten, die – wie die A 33-Nord – keine Probleme löst, sondern allenfalls eine Verlagerung von Verkehrsströmen von der Stadt in die Fläche erzeugen würden.

Sicher ist: Schöne Versprechen, neue Planungsansätze und vermeintliche Solidaritätsbekundungen hat es schon viele gegeben. Das gilt gerade auch für die Grünen. Wohlfeile Versicherungen, dass man die A 33-Nord nicht will, reichen nicht aus. Wer es mit dem „Nein“ zur A 33-Nord ernst meint, muss gerade als Regierungspartei klar und deutlich sagen: „Mit uns nicht“.

Dass genau das mit dem Beschleunigungsgesetz nicht passiert, erbost längst nicht nur viele Anhänger der im Bund und im Land Niedersachsen mitregierenden Grünen. Die neuen Regelungen zum Autobahnneubau bringen keine Klarheit, sondern können (siehe Text oben) je nach politischer Farbe sehr unterschiedlich interpretiert werden. Das passt wiederum sehr gut zu dem auch in vielen anderen Fragen von der Bundes-Ampel praktizierten Stil: Viele schöne Worte produzieren, aus denen jeder Regierungspartner das basteln kann, was am besten zu ihm passt. Solange das so bleibt, muss man auch bei der A 33-Nord mit allem rechnen. 


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Kommentare: 1
  • #1

    Siegfried Keuchel (Mittwoch, 24 Januar 2024 19:47)

    Hat schon mal jemand darüber nachgedacht, wie sich die Bewohner im südlichen Osnabrück fühlen, wenn man ihnen Belastung die gesamten Belastungen einfach aus Auge drückt, weil es Bewohner der nördlichen Regionen ablehnen, sich solidarisch zu zeigen. Ich halte das Verhalten für sehr egoistisch! Sie sollten sich einmal darüber informieren, wie es hier in Voxtrup und Sutthausen aussieht, wenn eine der beiden Autobahnen gesperrt wurde! Dann sind die Straßen in beiden Stadtteilen völlig überfüllt mit allen sich daraus ergebenden Nebenwirkungen. Ihnen scheint es egal zu sein, Hauptsache ist, dass Sie wunderbar in Ruhe leben können. Allerdings gibt es ja auch große Probleme mit den durchfahrenden Lkws in Icker. Hier kommt es immer wieder zu gefährlichen Situationen. Interessiert Sie das auch nicht?
    Ich plädiere dafür, den Ausbau der A 30 zu stoppen und den Lückenschluss der A 33 zur A 1 zu beschleunigen! Wenn man sich anschaut, wie viele Lkws von der A 33 am Südkreuz auf die
    A 30 abbiegen, müsste jeder logisch denkende Mensch auch zu meinem Ergebnis kommen, zumal se bei dem Abbiegevorgang immer wieder zu sehr gefährlichen Situationen kommt und auch zu Unfällen.
    Der Egoismus hat sich in Deutschland leider weit ausgebreitet. Man sieht es hier in Osnabrück nicht nur im Bereich des Autobahnausbaues. Das gleiche passierte in Hellern, wo die Ansiedlung eines Baumarktes durch die Bewohner verhindert wurde. Grund war das erhöhte Verkehrsaufkommen. So bleibt als einziger Baumarkt die Firma Hornbach übrig. Dieser liegt auch am Rande Voxtrups. Dort ist der Parkplatz fast immer voll. Auch diesen Verkehr müssen wir Voxtruper noch zusätzlich ertragen! Hier werfe ich den Bürgern Hellerns ebenfalls Egoismus vor.
    Gibt es denn keine Solidarität mehr in Osnabrück? Wir müssen uns nicht wundern, dass immer mehr Menschen sich von den Regierenden abwenden.