· 

„Das ist schädlich für Rulle und das Demokratieverständnis“

Buslinie 533 über den Haster Berg nach Osnabrück wird zum

1. November eingestellt – Demo mit über 200 Teilnehmern –

Ratsfrau Marion Müssen reagiert mit Austritt aus der CDW/W-Fraktion

„Ich bin sehr enttäuscht und verärgert. So kann man nicht mit den Menschen umgehen.“ Als Reaktion auf die Zustimmung der CDW/W-Gruppe zum neuen ÖPNV-Plan für die Gemeinde Wallenhorst ist die langjährige Ratsfrau Marion Müssen aus der Fraktion ausgetreten. Gegenüber dem Bürger-Echo erklärte sie, dass sie im Gemeinderat verbleiben und sich dort keiner anderen Fraktion anschließen wird. „Ich werde mich im Rat weiterhin dafür einsetzen, dass die Menschen aus meinem Heimatort Rulle nicht benachteiligt werden.“ Die CDW/W habe im Gemeinderat und im Kreistag dagegen aktiv für das neue Buskonzept geworben und sich damit gegen die Interessen der Ruller Bevölkerung gestellt.

Die Auswirkungen werden die Bürgerinnen und Bürger ab dem 1. November mit Inkrafttreten des neuen Busfahrplans zu spüren bekommen. Da die Linie 533 über den Haster Berg nach Osnabrück dann nicht mehr im Angebot ist, werde „ein Großteil der Ruller Bevölkerung einfach vom Busnetz gekappt.“ Abgesehen von deutlich weiteren Wegen zum Bus und zeitlichem Mehraufwand für die Fahrt nach Osnabrück führe der Komplettverzicht auf die bislang gut genutzte Linie dazu, dass viele Ruller Bürger ihren Hausarzt, Physiotherapeuten oder auch Freundeskreis nicht mehr wie gewohnt mit dem Bus – und damit zum Teil gar nicht mehr – erreichen können.

„Das macht viele Ruller wütend und traurig. Ich habe erlebt, dass ältere Menschen vor Verzweiflung geweint haben, weil sie von der Teilhabe am Leben ausgeschlossen werden.“ Marion Müssen verweist hier auf zutiefst emotionale Erlebnisse während einer von ihr organisierten Demonstration für den Erhalt der Buslinie über den Haster Berg. An dem Demo-Zug entlang der in Zukunft verwaisten Busstrecke hatten am letzten März-Samstag fast 250 Bürgerinnen und Bürger aus allen Altersstufen teilgenommen: „Mit einer so großen Resonanz habe ich überhaupt nicht gerechnet. Das zeigt, wie wichtig dieses Thema für viele Menschen ist.“

Dass abgesehen von Alfred Lindner (CDU) außer ihr selbst kein weiteres Ratsmitglied auf der Demo zu sehen war, ist für Marion Müssen „kein gutes Zeichen für das demokratische Verständnis.“ Nicht dabei war trotz Einladung auch Bürgermeister Otto Steinkamp, der dies auf Nachfrage des Bürger-Echos wie folgt begründet: „Da ich inhaltlich das neue ÖPNV-Konzept mittrage, habe ich mich gegen die Teilnahme an der Demo entschieden. Wenn mit der Einladung die Möglichkeit eröffnet worden wäre, meine Position auf der Demo darzulegen, wäre ich selbstverständlich gekommen. Davon konnte ich bei der im Vorfeld sehr einseitigen Diskussion aber nicht ausgehen...“   

Marion Müssen kann das nicht nachvollziehen. „Natürlich hätte der Bürgermeister die Möglichkeit gehabt, den Demo-Teilnehmern seine Sicht der Dinge darzulegen. Offensichtlich hat er aber kein Interesse, sich auch mit kritischen Stimmen auseinanderzusetzen.“ Ein solch bürgerfernes Verhalten sei „schädlich für das Miteinander und letztlich auch für die Demokratie.“ Gerade bei umstrittenen Themen sollte es für gewählte Ratsmitglieder und auch den Bürgermeister eine „Selbstverständlichkeit sein, mit den Menschen vor Ort ins Gespräch zu kommen und sich dabei auch andere Meinungen anzuhören.“

Genau dazu hat sich der Bürgermeister gleich zu Beginn der jüngsten Ratssitzung, drei Tage nach der Ruller Demo geäußert. Bei allem Verständnis für die Kritiker des neuen Buskonzepts empfinde er den Diskussionsverlauf zunehmend als „anstrengend.“ Zum Teil werde mit überzogenen oder verfälschenden Darstellungen argumentiert, die den Sachverhalt nicht richtig wiedergeben. Insbesondere einige im Bürger-Echo erschienene Beiträge bezeichnete Otto Steinkamp als „irreführend und polemisch.“ Wo er dort inhaltliche Fehler bzw. Falschbehauptungen sieht, sagte der Bürgermeister – wieder einmal – nicht.

Richtig ist nach Angaben des Bürgermeisters, dass die Entscheidung über die Neugestaltung des ÖPNV in der Gemeinde Wallenhorst nicht vom Bürgermeister bzw. Gemeinderat, sondern vom Kreistag getroffen worden ist. Wenn sich die Gemeinde gegen das nun vorliegende Konzept ausgesprochen hätte, wäre es möglich gewesen, dass es ein noch schlechteres oder gar kein Angebot gibt. Bei allen durchaus kritikwürdigen Punkten sei das Ganze insgesamt in Ordnung und alternativlos: „Wir haben nur diese eine Bewerbung bekommen.“ Ihm sei mit diesem Konzept der Spatz in der Hand lieber als die vermutlich unerreichbare Taube auf dem Dach.

Für Marion Müssen ist diese Argumentation inakzeptabel. Mit dem Wegfall der Linie 533 werde den Ruller Bürgerinnen und Bürger ein „massiver Schaden“ zugefügt. Die Verwaltung hätte dieser Entwicklung mit einer besseren und frühzeitigeren Planung entgegenwirken können – etwa, indem in den Nachverhandlungen mit den beiden Neu-Konzessionären Hummert und Hülsmann auf die herausragende Bedeutung der Linie 533 über den Haster Berg hingewiesen und wenn nötig auch über einen Kostennachschlag gesprochen worden wäre. Eine Alternative wäre auch gewesen, aktiv auf andere Busunternehmen zuzugehen, die räumlich näher an der Gemeinde Wallenhorst dran sind. Jetzt komme es dazu, dass jedes Jahr 400.000 Betriebskilometer an die in Dissen und Voltlage ansässigen Anbieter bezahlt werden müssen, die allein für die Fahrten vom Betriebshof zur ersten Haltestelle sowie von der letzten Haltestelle zurück zum Unternehmen anfallen. „Das hätte man auch günstiger haben können.“ Das Einsparpotenzial hätte möglicherweise locker für die Mehrkosten ausgereicht, die für den Erhalt der Buslinie 533 anfallen würden. Mit dem neuen Vertrag sagt die Gemeinde den beiden engagierten Busunternehmen zehn Jahre lang einen jährlichen Zuschuss von mindestens 420.000 Euro zu. Insgesamt wird der Steuerzahler also mit weit über vier Millionen Euro für ein Buskonzept zur Kasse gebeten, dass selbst nach Aussage des Bürgermeisters „nicht optimal für Wallenhorst ist.“

Inzwischen ist für die Linie 533 der Bus im wahrsten Sinne des Wortes abgefahren. Der Kreistag hat sich zwei Tage nach der Ruller Demo unter anderem mit dem Stimmen der SPD und der CDW/W für das neue Konzept ausgesprochen, so dass die Verbindung über den Haster Berg ab dem 1. November eingestellt wird. Eine Folge ist auch, dass dann zwei Haltestellen nicht mehr angefahren werden, die von der Gemeinde erst vor Kurzem für eine sechsstellige Summe aufwendig ausgebaut worden sind.

Wie „frisch“ die Entscheidungen dazu sind, kann man derzeit an einer der betroffenen Haltestellen an der Wittekindsburg sehen. Dort sind die Materialien für ein neues Schutzdach erst vor wenigen Wochen angeliefert worden und liegen dort seitdem ungenutzt sowie vor Wind und Wetter ungeschützt auf einer benachbarten Freifläche (siehe Foto). Was daraus wird, konnte das Bürger-Echo bislang nicht erfahren.    (H.)


Kommentar schreiben

Kommentare: 0